Ptak: Die maritime Seidenstraße

Title
Die maritime Seidenstraße. Küstenräume, Seefahrt und Handel in vorkolonialer Zeit


Author(s)
Ptak, Roderich
Published
München 2007: C.H. Beck Verlag
Extent
368 S.
Price
€ 24,90
Reviewed for Connections. A Journal for Historians and Area Specialists by
Erling von Mende, Ostasiatisches Seminar, Freie Universität Berlin

Auf ein tendenziell etwas theoretischeres Kapitel, in dem Roderich Ptak die Möglichkeit der Anwendung des Braudelschen Mittelmeermodells auf den viel größeren, die maritime Seidenstraße umspannenden Raum diskutiert, steckt er in einem weiteren Kapitel den geographischen, in fünf weiteren den historischen Rahmen von der vorhistorischen Zeit über die Spätantike, das frühe und späte Mittelalter bis in die frühe Neuzeit ab. Er endet um 1500 und mit einem Vergleich der staatlichen Unternehmungen des mingzeitlichen China und Portugals. Ergänzt wird die Narratio durch zwei wichtige Anhänge zu den Handelswaren und den Schiffen, die die maritime Seidenstraße befuhren.

Optisch und haptisch ist dieser Band ein schieres Vergnügen vom Schutzumschlag über die Vorsatzblätter, die Karten und Illustrationen im Text bis hin zum Papier. Der Druckfehlerteufel scheint (fast) gebändigt. Die Korrektheit der Umschriften exotischer und verführerischer Namen aus zahllosen Sprachen kann ich kaum beurteilen, allerdings schmerzt mich als „Ostasiatologen“ die Umschrift Luolang statt Lelang (koreanisch Nangnang) für den hanzeitlichen chinesischen Stützpunkt (Militärkommandantur) etwa auf der Höhe des heutigen Pyŏngyang. Und um die Äußerlichkeiten zu Ende zu bringen, sei auch vermerkt, dass die grundsätzlich ästhetisch sehr ansprechende Ausdehnung vieler Karten über anderthalb Seiten oft dazu führt, dass dem Leser gerade die wichtigsten Informationen – vielleicht auch nur, weil nicht mehr lesbar – vorenthalten werden, da sie im Falz des Buches verschwinden (z.B. S. 30-31, 36-37, 42-43). Ebenso sei vermerkt, dass so zergliederte Listen mit Literaturangaben, die überdies nicht ohne weiteres mit den Kapiteln des Buches kompatibel sind, die Suche nach Einschlägigem ungemein erschweren. Zum Literaturverzeichnis sei zusätzlich bemerkt, dass jede weitere Nennung eines nach Ansicht des Rezensenten wichtigen Titels angesichts der Fülle lächerlich wäre, und doch betrübt eine Bemerkung, dass Quellentexte und Übersetzungen nicht aufgenommen wurden. Übersetzungen gewähren trotz häufiger Mängel ein besseres Verständnis als das aus gewiss penibler Forschung entstehende trockene historiographische Instantpulver.

Dem entgeht Ptak – fraglos einer der Berufensten, wenn es um die Osthälfte der maritimen Seidenstraße geht1 – meist auf andere Weise. An langen, für die meisten Leser über weite Strecken exotischen Namensreihen, kann man sich berauschen – zeitlose vergangene Reiche in Südostasien und Indien verbreiten immer noch Geheimnisse, die man nicht alle kennen muss, doch empfindet man Vergnügen und erlebt erwachende Phantasien.2 Die ptolemäischen, oft nur schwer zuzuordnenden Namen, vor allem aber die Einheimischen, oft chinesisch verballhornt, sind noch nicht von den uns inzwischen vertrauten europäischen Bezeichnungen – Neuschöpfungen, falsch verstanden oder Übernahmen dialektaler Varianten – ersetzt worden. Der „Trick“ mit den langen Listen fremdartiger Namen ermöglicht es Ptak, uns eine zwar sehr viel gemächlichere, aber dennoch globale Welt zu zeigen, deren Kommunikation untereinander nicht nur auf der landgestützten Seidenstraße von Chang’an nach Rom und später Venedig erfolgte, sondern – vielleicht intensiver noch – auch über See von Häfen in Japan und Korea bis nach Suez führte, überdies ähnlich in beiden Fällen in der Regel, aber keineswegs immer, als Etappenrennen konzipiert, auch wenn es seit der Hanzeit Kaufleute – wahrscheinlich – Gesandte und Missionare gab, die den ganzen oder zumindest einen langen Weg zurücklegten, wie z.B. Marco Polo, den ich trotz bestehender Zweifel in China sehen möchte oder der muslimisch-chinesische Eunuch und Seefahrer Zheng He, über den Ptak seit seiner Dissertation3 intensiv gearbeitet hat.

Der Anspruch, eine Art Weltgeschichte zu schreiben, in der die Umsetzung von Theorien, wie in der Einführung ausgeführt, zugunsten einer in meinen Augen erst einmal notwendigen Narration fast völlig zurücktritt, ist hoch, da dabei von Ostasien bis Arabien trotz gewisser Überlappungen zahlreiche ganz unterschiedliche Kultur- und Sprachkreise durchquert und berücksichtigt werden müssen. Insofern denke ich, dass Ptak das gleiche Problem hat wie ich, sich zwar einigermaßen in Ostasien auszukennen, jenseits von Südchina dann aber doch auf andere angewiesen zu sein. Das schmälert jedoch keineswegs das Verdienst an sich.

Für Ptak und generell für den Sinologen ist es natürlich, China als Ausgangspunkt zu wählen mit einer Gesellschaftsorganisation, die schon früh marktorientierte Elemente in ihrem Wirtschaftshandeln umsetzte und z.B. mit ihrer Seide auch die Römer verführte. Als Sinologe kann man dann auch großzügig die noch weiter östlichen Appendices Korea und Japan mit einschließen. Dennoch frage ich mich, ob China tatsächlich als Ausgangspunkt angesehen werden kann, ob China nicht eher wie die „Made im Speck“ über lange Zeiträume wartend verharrte, während gierige zivilisatorisch noch unterprivilegierte Menschen von Europa bis Westasien die Güter Chinas zu erlangen suchten. Dieses Bild wird aber sofort untauglich, wenn man vermutet, dass nicht die Endpunkte welcher Seidenstraße auch immer entscheidend sind, sondern dass es möglicherweise dazwischen sehr viel wichtigere Dreh- und Angelpunkte gab, nämlich die Reiche auf dem indischen Subkontinent, die unter anderem auch mit ihrem maritimen Wissen und ihrer Schiffbautechnik nach Westen und Osten gewirkt haben, und aus der noch während der Tangzeit im Nordwesten bis vor die Tore Chinas reichenden iranischen Ökumene. Aber auch auf der maritimen Route finden wir die auch von Ptak erwähnten Bosi (Perser) und Dashi (Araber, aber ursprünglich wohl Tajiken) als bedeutende Händlergruppe.

Immer mit den üblichen Einschränkungen – schon in vorhistorischer Zeit kam Jade aus Hotan nach China, Schiffswracks von der malayischen bis zur koreanischen Halbinsel enthielten gewichtige Ladungen chinesischer Keramik bzw. chinesischen Porzellans – kann man fast sagen, dass über die landgebundene Seidenstraße materielle Güter aus China gegen immaterielle aus Vorderasien und Indien eingetauscht wurden, während China auf dem maritimen Wege ähnlich wie später Europa seine Neigungen für Exotika befriedigte und auf diesem Wege Gewürze, Duftstoffe, tropische Hölzer und anderes einführte. Es sind die Exotika, die in den schriftlichen chinesischen Quellen, aber wohl auch bei uns, immer die größte Aufmerksamkeit erhielten Nur indirekt erfahren wir von Massengütern, Nahrungsmittel (Reis), Holz, Kupfer, Textilien und anderes, die von verschiedenen Produktionsorten in alle Richtungen verschifft wurden, und nur zum Teil ist dies je nach Erhaltung bzw. natürlicher Haltbarkeit heute mit Hilfe der Unterwasserarchäologie direkt zu bestätigen.4 So bestand die Hauptladung des 1973 vor Quanzhou (Provinz Fujian) entdeckten spätsongzeitlichen Wracks (nach 1271) aus aromatischen Hölzern mit einem in den Fundberichten angegebenen Gesamtgewicht von etwas mehr als 2,3 Tonnen, gewiss kein Massengut, sondern Luxus. „Normaler“ war sicherlich die Ladung des vor Sinan (Cholla Namdo, Korea) entdeckten yuanzeitlichen Schiffes mit mehr als 20.000 Stücken chinesischer Keramik und etwa 800 Haushaltsobjekten aus Metall. Ein anderes Gut, nämlich Pferde, scheint mir von Ptak unter anderem ein wenig überschätzt zu werden. Allenfalls beweist ihre relativ häufige Erwähnung den dringenden Bedarf offensichtlich auch indischer Reiche, vor allen Dingen aber Chinas an Pferden. Daneben nimmt sich die eine aus Hormuz genannte Zahl von 2.000 Pferden lächerlich aus (S. 265-266).

Wenn man auch die nautischen Qualitäten der Chinesen nicht unterschätzen sollte – ein Verdienst Ptaks und seiner Mitstreiter, darunter auch Angela Schottenhammer, ist es, unser Bild der meerabgewandten Chinesen doch ganz erheblich modifiziert zu haben – so muss man doch feststellen, dass im Laufe der Geschichte unterschiedliche Mächte zu verschiedenen Zeiten die dominierende Rolle in den ostasiatischen Gewässern einnahmen. In der Tangzeit waren es offensichtlich mehr als die Chinesen selber Kaufleute aus Westasien und lokal die Koreaner. Der Koreaner Chang Pogo kontrollierte im 9. Jahrhundert als Pirat und Kaufmann ein Handelsimperium, und auch Wang Kon, der Anfang des 10. Jahrhunderts die Koryo-Dynastie gründete, tat dies von einer maritimen Machtbasis aus. In Nordostasien folgten den Koreanern die Jurchen und Japaner. In Südchina war sicherlich das Min-Reich in der Provinz Fujian maritim orientiert, und es scheint die Grundlage für die bedeutende chinesische zivile Schiffahrt in der Songzeit zu bilden. Diese dauerte bis in die frühe Mingzeit Anfang des 15. Jahrhunderts an, bis sie auch chinesisch selbstverschuldet durch die sogenannte Seeverbotspolitik ihre Rolle einbüßte. Einen Versuch außerhalb des von Ptak behandelten Zeitraums zur Gründung eines maritim gestützten Reiches unternahm noch im 17. Jahrhundert Zheng Chenggong im Raum Fujian – Taiwan.

Meckern ist immer leichter als etwas besser zu machen. Trotz einer das Buch durchziehenden professoralen Überforderung des Lesers ist es schön, nützlich und notwendig.

Anmerkungen:
1 Vgl. u.a. die schon fast endlose Liste seiner Veröffentlichungen z.B. in der Literaturliste von Wade, Geoff, The Pre-Modern East Asian Maritime Realm: An Overview of European-Language Studies, Singapore 2003.
2 In dieser Hinsicht zeigen sich enttäuscht Daniel Jütte in Neue Zürcher Zeitung vom 9. Januar 2008 und Lutz Bunk (dradio.de, 17. 09. 2007). Lutz Bunk wirft überdies Ptak gewiss entgegen dessen Intention Eurozentrismus vor, weil er (S. 319) bei einem bestimmten Dau-Typ, dem Sambuk, europäische Einflüsse annehme. Ist es bereits Eurozentrismus, wenn man etwas Europäisches zu erkennen glaubt? Zu Sambuk siehe die amüsante Eintragung sub Sambook, in Yule, Henry; Burnell, A.C., Hobson-Jobson. A glossary of Anglo-Indian words and phrases, London 1903, Nachdruck 1968.
3 Ptak, Roderich, Cheng Hos Abenteuer in Drama und Roman der Ming-Zeit. Hsia Hsi-yang: eine Übersetzung und Untersuchung. Hsi-yang chi: ein Deutungsversuch, München 1986.
4 Vgl. die bei Wade, S. 16-33 registrierten Wrackfunde von Malaysia bis Korea.

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18.03.2008
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